Das nächste Stück wird
wohl von den vier berühmtesten Noten der Musikgeschichte
eingeleitet, die Epoche machten. Seit jeher wurde dieses Stück
mystisch mit dem Schicksal seines Komponisten in Verbindung gebracht
und plakativ „Schicksalssymphonie“ genannt. Es ist jedoch für
diese Betitelung seitens des Komponisten selbst keine Grundlage oder
gar Rechtfertigung überliefert. Dieser Beiname wurde von der
Nachwelt beigefügt und ist wohl auf die beflügelte Fantasie durch
das eindringliche Hauptthema zurückzuführen. Fremdbetitelungen
dieser Art (unabhängig des Komponisten) ist ein Phänomen, das uns
noch oft in der klassischen Musik begegnen wird.
Doch abseits des Titels offenbart sich in diesem Werk ein Kosmos an reduzierter
Dichte und Entschlossenheit, der seinesgleichen sucht:
Und nun zu unseren
Fragen:
- Wer hat dieses Werk komponiert?
Solch Musik kann nur von
Ludwig van Beethoven (1770-1827) stammen.
- Ist das Musikstück ein alleinstehendes Werk oder gehört es zu einem größeren Ganzen?
Der populäre Satz von
der Hörprobe ist nur ein Teil vom Ganzen. Es handelt sich um den
ersten Satz (Kopfsatz) einer Symphonie.
- Welcher Gattung lässt sich dieses Werk zuordnen?
Es handelt sich also um
eine Symphonie, um Beethovens Symphonie Nr. 5 c-Moll op.67.
Bei einer Symphonie
handelt es sich um ein Orchesterwerk mit üblicherweise (von einigen
Ausnahmen abgesehen) vier Sätzen. Einem eher umfangreichen 1. Satz
folgen meist ein langsamer, liedhafter Satz sowie ein tänzerischer,
humorvoller Satz (oft als Menuett oder Scherzo bezeichnet) als auch
ein abschließender Finalsatz.
Somit haben wir eine neue
Gattungsbezeichnung kennengelernt, die Symphonie, sowie eine neue Art
von Werkverzeichnis, das Opus (op.), welches (nicht immer
erfolgreich) versucht, die Werke eines Komponisten chronologisch zu
reihen. Dies steht im Gegensatz zum BWV und HWV, welche die Werke
nach Gattung ordnen, was wohl auf das ungemein umfangreichere Werk
von Bach und Händel zurückzuführen ist.
- Hat der Komponist weitere Werke dieses Genres komponiert?
Ja, Beethoven hat neun
Symphonien vollendet, welche für nachfolgende Generationen
stilprägend wurden, und deckt mit seinem symphonischen Schaffen
viele Ausdrucksformen ab.
Besondere Berühmtheit,
abseits der 5. Symphonie, haben die dritte Symphonie „Eroica“ mit
dem gewaltigen Trauermarsch an zweiter Stelle, die sechste Symphonie
mit ihrem lyrischen Kopfsatz, die siebente Symphonie mit dem
gespenstisch-poetischen zweiten Satz sowie die neunte Symphonie mit
dem Choral „An die Freude“ im Finalsatz erlangt.
Als beeindruckendes
Beispiel an Ausdruckskraft sei hier der zweite Satz der Symphonie Nr.
7 A-Dur op.92 hervorgehoben, der ebenfalls weit über die klassische
Musik hinaus Popularität gewann:
- Welcher Epoche lässt sich das Werk oder der Komponist zuordnen?
Ich persönlich halte
diese Frage für sehr spannend. Grundsätzlich wird Beethoven der 1.
Wiener Schule gemeinsam mit Joseph Haydn (1732-1809) und Wolfgang
Amadeus Mozart (1756-1791) zugeordnet, die gemeinhin als Wiener
Klassik bekannt ist und die erste große einheitliche Epoche nach dem
Barock darstellt.
Mit dieser Definition
bekommt man allerdings schnell Probleme, da Beethovens Werk weit über
Haydn und Mozart hinausgeht und ganz neue Klangwelten erschließt,
welche die Tore für die nächste Epoche, der Romantik, weit öffnen.
In Beethovens späten Jahren rüttelte er sogar an der Tonalität und
fand im Laufe seines Schaffens Rhythmen, die erst im 20. Jahrhundert
ganz verstanden wurden. In dieser Beziehung war Beethoven seiner Zeit
weit voraus und die Bezeichnung Visionär wäre fast noch zu gering
gegriffen. Manche sprechen sogar von Beethoven als den wahren
Erfinder des Ragtime und des Boogie-Woogie. Und wenn man folgende
Passage aus dem 3. Satz von dem Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur, op.15
des noch jungen Beethovens hört, so fühlt man sich in der Tat an
Scott Joplins (1867-1917) hundert Jahre später komponierten „The
Entertainer“ erinnert:
Folgende Stelle aus
Beethovens letzter Klaviersonate in c-Moll, op.111 bezeichneten
selbst große Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Igor Strawinsky
(1882-1971) als den ersten „Boogie-Woogie“ der Musikgeschichte:
- Gab es andere Komponisten in jener Zeit, die Ähnliches komponiert haben?
An dieser Stelle muss
Franz Schubert (1797-1828) genannt werden, der ein Zeitgenosse
Beethovens war und sich in den gleichen Musikgattungen versuchte.
Auch er schrieb Symphonien, in denen er in den letzten Jahren seines
Lebens eine ganz eigene Tonsprache fand, die bereits vollends der
Romantik angehörte.
Schuberts
bekannteste Symphonie ist wohl seine „Unvollendete“ in
h-Moll, D759. (D steht für Deutsch-Verzeichnis, das Schuberts
Werkverzeichnis darstellt.)
Er schrieb nach dieser noch eine vollendete Symphonie in
C-Dur, D 944 , die wohl sein
geschlossenster und gelungenster Wurf auf dem Gebiet der Symphonie
ist. Ein weiteres Symphoniefragment in D-Dur, D936a
konnte Schubert nicht mehr vollenden, dennoch
gehört dieses zum Intensivsten, Berührensten
und zugleich Versöhnlichsten, was ein junger Mensch von
knapp 30 Jahren
an
seinem Totenbett hinterlassen
kann:
- Haben diese Komponisten abseits dieses einen Genres andere bedeutende Werke geschrieben?
Ja, gerade bei Beethoven
lohnt es sich, auch das Umfeld von seiner 5. Symphonie kennenzulernen.
Beispielsweise wurden bei deren Uraufführung auch noch Beethovens 6.
Symphonie, welche sich grundlegend von der vorangegangenen
unterscheidet, wie auch sein 4. Klavierkonzert und seine Chorfantasie
gespielt.
Speziell Beethovens
Chorfantasie op.80 ist ebenso unbekannt wie beeindruckend. Auch sie
steht in der düsteren Tonart c-Moll und ist eine Mischung aus
Klavierimprovisation, Klavierkonzert und Chorwerk, sprengt also jeden
klassischen Rahmen. Sie wird nicht zu Unrecht als Vorstudie zu
Beethovens Finale seiner 9. Symphonie bezeichnet.
Wer
speziell den düsteren, kraftvollen
Beethoven liebt, dem seien auch noch die zeitlich nicht weit von der
fünften Symphonie entfernten Ouvertüren „Coriolan“ c-Moll
op. 62 sowie „Egmont“ f-Moll op. 84 ans Herz
gelegt. Besonders die die Egmont-Ouvertüre
wurde stilprägend für dramatische Musik in der Populärkultur. Man
höre sie sich in Ruhe an und versuche die Filme zu erraten, deren Soundtracks sich an Beethovens Egmot inspiriert haben:
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Somit beende ich meine
Ausführungen zu Beethovens Symphonie Nr. 5.
Morgen wird eine kleine
Pause stattfinden und am Montag gibt es etwas fürs Herz: Wir wagen
uns an Musik aus dem 20. Jahrhundert, die sich ganz der Spätromantik
verschrieben hat.
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