Montag, 19. November 2018

"Thomas Mann - Nachtgedanken III"




Im Gedenken an Franz Schuberts 190. Todestag

„Wir wissen, […] dass sein Schicksal sich anders gestaltet hätte, wenn sein Gemüt den Reizen der Gefühlssphäre, der allgemein geistigen Haltung, die das Lied auf so innig-geheimnisvolle Weise zusammenfasste, nicht im höchsten Grade zugänglich gewesen wäre. Eben dieses Schicksal aber hatte Steigerungen, Abenteuer, Einblicke mit sich gebracht, […] die ihn zu ahnungsvoller Kritik an dieser Welt, diesem ihrem allerdings absolut bewunderungswürdigen Gleichnis, dieser seiner Liebe reif gemacht hatten und danach angetan waren, sie alle drei unter Gewissenszweifel zu stellen. […] Sie sind es erst, die der Liebe den Stachel der Leidenschaft verleihen, sodass man schlechthin die Leidenschaft als zweifelnde Liebe bestimmen könnte. […]


Welches war diese dahinter stehende Welt, die seiner Gewissensahnung zufolge eine Welt verbotener Liebe sein sollte?


Es war der Tod.“


„Es war eine Lebensfrucht, vom Tode gezeugt und todesträchtig. Es war ein Wunder der Seele, - das höchste vielleicht vor dem Angesicht gewissenloser Schönheit…“


aus Thomas Manns "Der Zauberberg" - Kapitel "Fülle des Wohllauts" (über ein Lied Schuberts)













Freitag, 16. November 2018

"Thomas Mann - Nachtgedanken II"






"Wieviele Schriftsteller vor mir schon mögen die Untauglichkeit der Sprache beseufzt haben, Sichtbarkeit zu erreichen, ein wirklich genaues Bild des Individuellen hervorzubringen! Das Wort ist geschaffen für Lob und Preis, es ist ihm verliehen, zu erstaunen, zu bewundern, zu segnen und die Erscheinung durch das Gefühl zu kennzeichnen, das sie erregt, aber nicht, sie zu beschwören und wiederzugeben."

aus Thomas Manns "Doktor Faustus", Kapitel XLIV









Freitag, 9. November 2018

"Thomas Mann - Nachtgedanken I"





"Der menschliche Geist bleibt, wie er sich stelle, der er ist: der Bote der Mahnung, das Prinzip der Anstoßnahme, des Widerspruchs und der Wanderschaft, welches die Unruhe übernatürlichen Elendes in der Brust eines Einzelnen unter lauter lusthaft Einverstandenen erregt, ihn aus den Toren des Gewordenen und Gegebenen ins abenteuerlich Ungewisse treibt und ihn dem Steine gleichmacht, der, indem er sich löst und rollt, ein unabsehbar wachsendes Rollen und Geschehen einzuleiten bestimmt ist. "
 


"Rastlosigkeit und Würde - das ist das Siegel des Geistes."


aus Manns "Joseph und seine Brüder", "Höllenfahrt" Abschnitt 9 und 10