Dienstag, 29. April 2014

"Hochzeitsmusik - Es wächst zusammen, was zusammen gehört"

Julia und Gernot "Gstetti" Gstettner in treuer Freundschaft gewidmet

Die Hochzeit ist ein Moment, an dem sich zwei Personen das stille Bekenntnis und das leise Versprechen geben, den weiteren Weg miteinander zu bestreiten, sich Kraft zu geben und den kleinen Hürden des Lebens gemeinsam zu begegnen und auch zu bewältigen. Wie facettenreicher, wie gefühlsintensiver wird doch das Leben durch dieses Bündis, das im Idealfall die eigene Perspektive nicht nur erweitert, sondern auch bereichert. - Doch sobald Gefühle ins Spiel kommen, kann Musik nicht weit sein. Und so ließ es sich auch die Klassische Musik nicht nehmen, mit ihren zarten Fußspuren diesen Festtag zu schmücken, vieleicht sogar zu vollenden.


Doch beginnen wir bei der turbulenten Vorbereitung dieses großen Ereignisses. Wie viele Wirrungen und Mühen muss man doch durchschreiten, um diesen einen Tag im Leben den Glanz und die Würde zu verleihen, wie man ihn sich immer schon erträumt hatte. Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) beschäftigte gerade dies, als er ein radikales Stück von Beaumarchais (1732-1799) zur Oper vertonen wollte. Dieses Stück spielt während Hochzeitsvorbereitungen, in denen viele Charaktere in Intrigen verstrickt werden, die sich zum Schluss doch zum Wohlgefallen aller auflösen. Es handelt sich um keine geringere Oper als "Le nozze di Figaro" ("Die Hochzeit des Figaro") und bereits in der Ouvertüre sind sowohl die Vorbereitungs-Hektik aber auch die Festlichkeit des Anlasses auf das liebevollste enthalten:



Ich gebe aber gerne zu, dass dies keine eigentliche Hochzeitsmusik ist!

Die erste ganz große Hochzeitsmusik, die weihevoller kaum sein könnte, schrieb Johann Sebastian Bach (1685-1750). Dieser komponierte mehrere weltliche Kantaten, wovon einige die Hochzeit als Anlass hatten. Die womöglich ergreiffenste ist jene mit dem wunderschönen Namen "Weichet nur, betrübte Schatten". Bach soll diese Kantate angeblich zu seiner eigenen Hochzeit komponiert haben (oder zumindest erklang sie dort), als er seine zweite Frau Anna Magdalena Bach (1701-1760) ehelichte. Und bereits im einleitenden Satz (0:00-6:38) hört man, wie der Schleier der betrübten Schatten langsam von Bach durch die Liebe seiner Frau weicht:




Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die Arie "Sich üben im Lieben" (14:40-19:19)! Eingängiger und liebevoller komponierte Bach selten.

Dass Bach Anna Magdalena sehr gern gehabt haben musste, beweist ein kleines Notenbüchlein, das er ihr zugeeignet hatte. Es enthält hauptsächlich Klaviermusik aber auch einige Arien. Die beliebteste Arie, die ebenfalls gerne für Hochzeiten verwendet wird, ist das Lied "Bist du bei mir". Das Versprechen "Bis dass der Tod uns scheidet" wurde wohl nie schöner vertont:

Bist du bei mir, geh ich mit Freuden
zum Sterben und zu meiner Ruh.
Ach, wie vergnügt wär so mein Ende,
es drückten deine schönen Hände
mir die getreuen Augen zu!




Könnte eine Liebeserklärung zarter sein?

Aber man darf sich nichts vormachen! Wenn es um Hochzeitsmusik geht, dann gibt es zwei Werke, welche die Hitparaden unangefochten anführen: Zum einen ist das der Hochzeitsmarsch aus der Oper "Lohengrin" von Richard Wagner (1813-1883), zum anderen jener aus "Ein Sommernachtstraum" von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847).

Wir beginnen mit Wagners Variante:




Und gehen feierlich zu Mendelssohn über:




Doch welche Musik auch immer zur Hochzeit gespielt wird ... Was einzig zählt, ist, jemanden zu finden, der länger zu einem hält, als die schönste Musik in einem nachklingen kann. Denn die wahrhaft schönste Musik ist jene, die man zu zweit genießen darf, um die gemeinsame Zeit mit einer weiteren Facette zu bereichern. 

Sonntag, 6. April 2014

"Die Mondscheinsonate - Melodie der Unsterblichkeit"


Es gibt Musikstücke, welche einen geheimen Zauber in sich bergen, der kaum zu ergründen ist und unsterblich scheint. Wie hypnotisch wird man in deren Bann gezogen, von dem man sich (wenn überhaupt) erst nach Verklingen der Musik wieder befreien kann. Eines dieser Werke, welches ebenso bewundert wie fehlgedeutet wird, ist die "Mondscheinsonate" von Ludwig van Beethoven (1770-1827).


Wie viele Generationen von Musikliebhabern hat der erste Satz dieser Sonate Nr. 14, op.27/2 in cis-Moll bereits ans Klavier geführt oder überhaupt erst veranlasst, Klavier zu erlernen. Kaum ein Werk hat derart stimulierend auf die Fantasie der Hörer gewirkt. Kaum ein Werk hat sich den Schleier der Romantik derart zu eigen gemacht, noch dazu zu einer Zeit, als die musikalische Epoche der Romantik noch gar nicht angebrochen war.

Und auch heute kann man sich der Klangpoesie der magischen Melodie sowie den unendlichen Triolen des Stückes kaum entziehen:




Doch was hat es mit dem Begriff "Mondscheinsonate" auf sich?

Ich hoffe, ich zerstöre nun keine romantischen Träume, wenn ich mitteile, dass sich dieser Name erst nach Beethovens Tod etabliert hat. Der Komponist war also an der Betitelung nicht beteiligt. (Das ist aber kein unbekanntes Phänomen: Mozarts "Jupitersymphonie", Chopins "Regentropfen-Prélude" oder Bruckners "Pausensymphonie" können ein Lied davon singen.) 

Namensgeber war der Dichter Ludwig Rellstab (1799-1860), der sich beim Hören dieses Satzes anscheinend an den Mondschein erinnert gefühlt hatte. Fortgeschrittenen Klassikfreunden wird Rellstab bestimmt ein Begriff sein, da er neben Heinrich Heine (1797-1856) die Textvorlage für Franz Schuberts (1797-1828) letzten Liederzyklus lieferte. Da Schubert kurz darauf verstarb und dieser Zyklus posthum veröffentlicht wurde, erhielt dieser den romantisch-verbrämten Beinamen "Schwanengesang". (Es handelt sich also hier um ein weiteres Beispiel von Fremdbetitelung.)

Doch zurück zur "Mondscheinsonate" ...

Der Mond hat Beethoven also nicht zu dieser Komposition beflügelt. Inspiriert wurde Beethoven wohl weniger von Natureindrücken als vielmehr von einer anderen Komposition. Es handelte sich hierbei um keine geringere als die Oper "Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Diese soll beim Entstehungsprozess von der Mondscheinsonate die entscheidende Rolle gespielt haben. Beethoven, der bei einer Studienreise nach Wien 1786/87 möglicherweise Mozart beim Entstehungsprozess dieser Oper persönlich kennenlernen durfte, war sehr angetan von diesem Meisterwerk. Besonders die Sterbeszene des Komturs, der von Don Giovanni im Duell erstochen wird, muss Beethoven tief bewegt haben, denn bereits hier erklingen vom Orchester jene Triolen, die Beethovens Sonate ausmachen.

Aber es höre jeder selbst diese Szene. Das Duell beginnt bei Minute 3:36 und in Minute 3:56 der Hörprobe wird der Komtur tödlich verletzt. Sein Tod wird von den unsterblichen Triolen des Orchesters begleitet, bis er leblos zu Boden sinkt:




Wurden die Parallelen zu Beethoven erkannt? Bereits Mozart kannte die magischen Kräfte solcher Triolen!

Doch Mozart entdeckte diese keineswegs erst bei der Komposition des "Don Giovanni". Mozart nutzte deren Kraft bereits in seinem ersten großen Opern-Meisterwerk "Idomeneo". In der epochalen Chor-Szene "O voto tremendo" beklagt ein ganzes Volk den nahenden Tod ihres geliebten Prinzen, der an die Götter geopfert werden muss. Diese Trauerklage wird wieder von tiefen Triolen getragen:





Das ist wahrhaft große Musik ...

Dieser Kontext bringt die Melodie Beethovens in Verbindung mit dem Tod, der weit über den Begriff "Mondschein" hinausgeht. Man fühlt sich nun fast an die beklemmende Not von Goethes Faust erinnert, als er sagte:

"O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letzenmal auf meine Pein ..."

Doch wie auch immer man zum Begriff "Mondschein" steht. Die Musik ist jeder Diskussion darüber erhaben. Keine noch so verunglückte Bezeichnung kann der Unsterblichkeit solcher Melodien Abbruch tun. Und vielleicht ist genau das der Punkt, an dem Musik groß zu werden beginnt: Bei der leisen Ahnung, dass man ihr mit Worten nicht mehr gerecht werden kann ...



Mittwoch, 2. April 2014

"Ravel - Der Stoff, aus dem Märchen sind"


Es war einmal ...

Jeder von uns kennt Märchen aus seiner Kindheit, die einem besonders ans Herz gewachsen sind. Oft sind die ersten Begegnungen mit Märchen derart intensiv, dass man sich noch genau erinnern kann, wo man sie das erste Mal gehört, wer sie einem vorgelesen oder wie es damals gerochen hat. Oft sind diese Erinnerungen mit der wohligen Wärme im Schutz der Kindheitstage verbunden, fern jeder Sorge. Und auch heute (als der Jugend Entwachsener) denkt man an diese stillen Momente der Freude gerne zurück.



So ging es wohl auch Maurice Ravel (1875-1937), als er für die Kinder einer befreundeten Familie ein kleines Klavierstück zu deren Lieblingsmärchen "Dornröschen" ("La belle au bios dormant") komponierte. Es ist ein kurzes Werk in Form einer sensiblen Pavane (ein spezieller Gesellschaftstanz), deren liebreizenden Zartheit sich kaum jemand entziehen kann. Und vielleicht denkt dabei der eine oder andere verträumt an seine vergangenen Tage zurück.




Hinreißend, nicht wahr?

Die Kinder waren jedenfalls derart begeistert, dass sich Ravel zu einem Klavierzyklus "Ma mère l'oye" ("Mutter Gans") mit 5 Werken zu bestimmten Märchen überreden ließ, den er kurz darauf auch orchestrierte. Ein sehr beliebtes Stück daraus ist "Die Schöne und das Biest" ("Les entretiens de la belle et de la bête"), welches mit dem Thema der Schönen beginnt und in Minute 1:11 vom Thema des Biestes abgelöst wird. Jeder, der das Märchen kennt, kann sich denken, was mit beiden Themen gegen Ende hin geschieht.




(Sollte sich jemand bei dem Thema des Biestes an "Das Phantom der Oper" erinnert fühlen, so kontrolliere man die Lebenszeit von Andrew Lloyd Webber mit jener Ravels. Man wird sich sehr schnell klar, wer von wem abgeschrieben hat!)

Ravels Märchenzyklus endet mit einem Stück namens "Der Märchengarten" ("Le jardin féerique"). Das Interessante ist, dass niemand weiß, welchem Märchen diese Musik zuzuordnen ist. Es wird vermutet, dass Ravel hier ein selbsterfundenes Motiv beisteuern wollte. Und das ist ihm wahrlich märchenhaft gelungen:




Es WAR einmal ... das ist die beginnende Formel der meisten Märchen!

Doch wenn der sanfte Schleier der Erinnerung an Märchen uns berührt, dann SIND sie, wenn auch nur für kurze Zeit und erscheinen uns wie Freunde aus altvertrauten Tagen ... 

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!