Weihnachten naht in
großen Schritten. Grund genug, dass auch Sölkners Klassik-Kunde
einen Teil zu dieser festlichen Zeit beiträgt. Doch bevor wir uns
ganz den Ursprüngen von weihnachtlicher Musik zuwenden, möchte ich
zunächst eine kleine atmosphärische Einstimmung bieten, die sich
ganz der klirrenden Kälte des Winters (Minute 0:00 in der Hörprobe)
und des poetischen Treibens von Schneeflocken (3:44) verschrieben
hat (auch wenn das Wetter in Mitteleuropa oft nicht ganz verträglich mit weißen Weihnachten ist).
Es handelt sich hierbei
um das weltbekannte Konzert RV 297 „Winter“ aus „Die vier
Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi (1678-1741):
Doch steigen wir nun
etwas tiefer in die Materie ein und gehen zu den Ursprüngen unserer
heutigen Musik zurück: in die Renaissance des auslaufenden 15. Jahrhunderts. Es war eine wilde Zeit, wo Glaube kaum an die Kirche
gebunden war. Damals konnte man Kardinal ohne Priesterweihe und nur
durch Bestechung und Vetternwirtschaft werden. Das Amt des Papstes
erlangte meist derjenige, der die erfolgreichsten Auftragsmorde
durchführen ließ und genug Geld hatte, um potentielle Feinde milde
zu stimmen. Die Päpste hatten meist viele Geliebte sowie Kinder und
nutzten den Weg der Heiratspolitik gleichermaßen wie den der
kriegerischen Feldzüge. Dass leichte Damen, Lustknaben,
Arsenproduzenten und Weinbauern damals Hochkonjunktur hatten, ist
selbstredend ... -
DENNOCH entstanden zu
dieser Zeit Kunstwerke, die tief im Glauben verwurzelt waren und sich
bewusst von der Verdorbenheit und Perversion der politischen Realität
der Zeit absetzten. Dadurch entstand eine Polarität, die kaum mit sich zu
vereinbaren war und ist: Auf der einen Seite vollendete, tiefsinnige Kunst
und auf der anderen Seite Korruption, Intrige, Mord. Diese Ambivalenz
war symptomatisch für die Zeit der Renaissance und ich denke, genau
aus diesem Widerspruch schöpft diese Epoche, die in vieler Hinsicht bis heute unübertroffen ist, ihre Faszination und
ihre Einzigartigkeit. Und das
eigentlich Spannende ist, dass die Verdorbenheit der Zeit nie etwas
der Kunst anhaben konnte. Unbeschadet hat die Kunst jeden weltlichen
wie geistlichen Herrscher überlebt und den Menschen stets das
gegeben, wozu die Herrscher selten fähig waren: Inspiration, Glauben
und Hoffnung!
Wie gerne würde ich jetzt ausschweifend über Leonardo da Vinci,
Botticelli, Michelangelo, Raffael, Tizian, Bronzino, Bramante, Brunellschi,
Donatello (und wie sie alle heißen) berichten … aber wir befinden
uns auf einem Klassik-Blog und deshalb sei hier ein zeitgenössischer
Komponist jener Meister vorgestellt: der wunderbare Renaissance-Komponist Josquin
Desprez (um 1450 – 1521).
Ich
gebe gerne zu, dass Desprez nicht ganz so bekannt ist wie die anderen
oben genannten Meister, dennoch ist ihm ein Werk gelungen, das sich
nicht verstecken muss und die Musiksprache
revolutioniert hat. Er hat maßgeblich an
der Entwicklung der Polyphonie mitgewirkt und Werke von zeitloser,
ewig gültiger Schönheit komponiert.
Seine unerschöpfliche Kraft an melodischer
Inspiration verschaffte ihm den Beinamen „Schubert der
Renaissance“. Ob dieser Vergleich hilfreich ist, wage ich zu
bezweifeln. Nichtsdestoweniger
möchte ich eines seiner Werke nun
vorstellen: „Praeter rerum seriem“. Es handelt sich um einen
Lobgesang zu Ehren der Geburt von Jesus. Die Mystik und Spannung
dieses Werkes sind
einzigartig. Das war wohl auch der
Grund, weshalb es im Rom der Renaissance meist den Beginn von
weihnachtlichen Messen gestalten durfte:
So mystisch kennt man Weihnachtsmusik sonst nicht, nicht wahr?
Diese
Art Ehrerbietung von der Geburt Jesu zieht sich durch alle späteren Epochen.
Allerdings ändert sich diese der
Musiksprache entsprechend. Eine der bekanntesten Lobpreisungen
schrieb wohl im Barock Georg Friedrich Händel (1685-1759) für sein
Meisterwerk „Messiah“. Die Arie "For unto us a Child is
born“ gehört zu den bekanntesten der Musikgeschichte, wird immer
wieder in unserer Populärkultur verwendet und lässt hoffentlich
nicht nur mein Herz höher schlagen:
Ja,
hierbei handelt es sich um eine sehr glückliche Eingebung von
Händel!
Um
noch eine dritte Art von musikalischer Lobpreisung ins Spiel zu
bringen, sei auf pastorale Hirtengesänge verwiesen, die rein
instrumentaler Natur sind.
Was
haben Hirten mit Jesus Geburt zu tun?
Den
bekanntesten Hirtengesang komponierte der große Johann Sebastian
Bach (1685-1750) für sein meisterhaftes Weihnachtsoratorium, das aus
sechs Teilen besteht, wovon die ersten drei die Weihnachtsfeiertage
thematisieren. Der Hirtengesang bildet die Einleitung des zweiten
Teils und gehört zu einem der schönsten Orchestersätze, die Bach
je geschrieben hat:
Ein weiterer, sehr beliebter Hirtengesang stammt
von Arcangelo Corelli (1653-1713) aus seinem Weihnachtskonzert op.6
Nr.8:
Schließen
möchte ich mit einem romantischen Werk des französischen Meisters César Franck
(1822-1890). Es handelt sich um „Panis angelicus“ und auch in
diesem Werk zeigt sich die Stärke der Kunst, die etwas Reines,
Unantastbares durch viele Jahrhunderte und durch viele
Verdorbenheiten vergangener Zeiten hinweg uns auch heute noch
unbeschadet schenkt. Dabei wird etwas transportiert,
das wir zwar nicht benennen können, sehr wohl aber vollends in uns
aufnehmen. Und wenn wir dies erkennen, ist
das wohl die ehrlichste und reichste Grundlage, um in sich zu kehren
und von innen nach außen zu hören, um in
Einklang mit seinen Lieben Weihnacht zu feiern und ein Teil der
Besinnlichkeit zu sein.
Auf
diesem Wege wünscht Sölkners
Klassik-Kunde eine frohe und besinnliche
Weihnachtszeit!
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